DasUngeheuer
Märchen aus Tansania
Quelle: Der Tanz auf der Trommel, A. Könner, Altberlingerverlag o.J. AT123
Kindermärchen aus aller Welt, Mutabor Verlag 2015
Das Ungeheuer
Eine Raupe drang in das Haus des Hasen ein und machte es sich dort bequem. Hier will ich bleiben, dachte sie. Doch dann kehrte der Hase zurück. An der Kriechspur konnte er erkennen, dass jemand in sein Haus gekommen war. «Wer ist in meinem Haus?» fragte der Hase vor dem Eingang.
Die Raupe sagte laut: «Komm nicht zu nah heran! Ich bin ein grosser Krieger, der alles niedermacht. Selbst ein Nashorn stampfe ich in den Sand und einen Elefanten zertrample ich zu Brei.»
Der Hase begann vor Angst zu zittern, als er diese schrecklichen Worte vernahm. Das muss ein Ungeheuer sein, dachte er und jagte davon.
Da begegnete ihm ein Schakal.
«Hilf mir», bat ihn der Hase. «In mein Haus hat sich ein Raufbold eingeschlichen, der will nicht wieder weg.»
«Vor mir nimmt jeder Reissaus», sagte der Schakal und ging mit dem Hasen mit.
«Wer ist in dem Haus?» fragte der Schakal. Die Raupe drohte noch lauter als beim ersten Mal: «Komm nicht zu nah heran! Ich bin ein grosser Krieger, der alles niedermäht. Selbst ein Nashorn stampfe ich in den Sand und einen Elefanten zertrample ich zu Brei. Niemand ist so stark wie ich.»
Den Schakal überrieselte es kalt. «Gegen so einen Kerl komme ich nicht an», sagte er, kniff den Schwanz ein und machte sich aus dem Staub.
Da lief der Hase zu einem Leoparden, der als gewandt und mutig galt. «Das haben wir gleich», sagte der Leopard und lief mit dem Hasen mit.
«Wer ist in dem Haus?» fragte der Leopard und fauchte laut. Die Raupe zuckte zusammen, doch dann erhob sie wieder ihre Stimme und antwortete wie vorher. Da erschrak auch der Leopard, trat einen Schritt zurück und sprach: «Mir scheint ein fürchterliches Untier in dem Haus zu sein. Wenn es Nashörner und Elefanten zu zermalmen vermag, dann bin ich machtlos.» Und er trollte sich.
Jetzt muss ein grosses Tier her, dachte der Hase und lief zu einem Nashorn.
«Hilf mir», bat der Hase. «In mein Haus ist jemand eingedrungen, der sich nicht vertreiben lässt. Vor dir aber, grosses Nashorn, rennt er sicherlich weg.»
«Das will ich meinen», versetzte das Nashorn und lief mit dem Hasen mit. Doch als es hörte, dass der Krieger Nashörner und Elefanten zuquetschte, wackelte sein Bauch vor Angst und es ergriff die Flucht.
Auch der Elefant verhielt sich nicht viel anders. Er trompetete erschrocken und gab Fersengeld. In diesem Augenblick hüpfte ein Frosch herbei. «Was ist hier los?» fragte der Frosch.
«Hilf mir», flehte der Hase. «Ich kann nicht in mein Haus. Ein streitsüchtiger Krieger sitzt darin. Der Schakal, der Leopard, das Nashorn und der Elefant haben schon versucht, ihn zu vertreiben, aber ohne Erfolg. Sie haben alle das Weite gesucht.»
«Hohoho», sagte der Frosch. «Den will ich sehen, der mir bange macht.» Und er stellte sich vor den Eingang und blies sich auf. «Wer ist in dem Haus?» quakte er.
Was für eine schreckliche Stimme, dachte die Raupe, doch dann schrie sie wieder los: «Ich bin der stärkste Krieger weit und breit und töte jeden, der sich heranwagt. Selbst ein Nashorn stampfe ich in den Sand und einen Elefanten zertrample ich zu Brei.»
«Hohoho», rief der Frosch ein zweites Mal und hopste ein bisschen näher. «Auch ich bin gefährlich und riesenstark. Jedes meiner Hinterbeine ist so dick wie ein Stamm. Wenn ich springe, fallen alle Feinde um. Schon mein Anblick ruft Entsetzen hervor.»
Das war zuviel für die Raupe. Sie kroch aus dem Haus und sagte mit kleiner Stimme: «Ich bin nur eine Raupe und verschwinde gleich.»
Inzwischen hatten sich viele Tiere vor dem Haus versammelt. Als die Raupe davonkroch, brachen sie in ein schallendes Gelächter aus. Selbst die Raupe lachte mit.
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